Kastilien und Extremadura: Zarte Braten und Eintopf-Mekka
Dürr und trocken sind die Ebenen im Land der Kastelle in den kurzen Sommern und die Winter halten sich hartnäckig lang. Cocido madrileño, ein typisches Gericht der einfachen mittelspanischen Küche, liefert Energie an einem kalten Wintertag. Der Eintopf aus Markknochen, Rind-, Hühner- und Schweinefleisch wird in drei Etappen aufgetischt: Zuerst die abgeseihte Suppe, dann Kohl, Kichererbsen und Salzerdäpfel, die kurz in der Suppe gekocht wurden, und schließlich das Fleisch selbst. Dazu gibt es kastilisches Weißbrot mit einer besonders krossen Kruste. Die Zubereitung der in ganz Spanien beliebten Eintöpfe variiert von Region zu Region; aber alle wurzeln sie im olla podrida, dem „verdorbenen Topf“ des Don Quijote. Der Name leitet sich her vom „mächtigen Topf“, der im Spanischen im Laufe der Zeit ein „e“ verloren hat.
Neben dem iberischen Schwein wird auch Lamm, Zicklein und Wild zubereitet. Die Braten erhalten durch die Würzung mit Bergkräutern ihren feinen Geschmack und sind so zart, dass man sie sogar mit einem Löffel zerteilen kann.
In Extremadura werden die besten chorizos produziert, eine kräftige Wurst, die in vielen spanischen Gerichten Verwendung findet. Je nachdem welche Paprikasorte verarbeitet wird, variiert die intensiv rote Wurst von mild bis scharf.
In La Mancha wird erntefrisches Gemüse zusammen mit Olivenöl zu einem Püree, dem pisto manchego gemixt oder in kleine Würfeln geschnitten in einem Topf geschmort. Die Zusammenstellung der Gemüsesorten ist abhängig von Geschmack und Verfügbarkeit; mit dabei sind aber immer Zwiebeln, Paradeiser und Paprikaschoten.
Andalusien: „Leben in Sinnlichkeit und Muße“
Die leichte, durch die Mauren beeinflusste andalusische Küche trotzt der sengenden Sonne: Nach einem andalusischen Mahl fühlt man sich nicht behäbig, sondern leichter als vor dem ersten Bissen.
Sevilla ist die Stadt der gaz pacho. Für dieses traditionelle Essen der Landarbeiter werden Salatgurken, Paradeiser, Knoblauch, Öl und Weißbrotstücke passiert und mit Wasser, Salz und Weinessig vermischt. In der leichten Küche Andalusiens ist Frittieren kein Widerspruch, und die Gerichte triefen keineswegs vor Fett. Die an den Straßenständen gebackenen Sardinen, Seezungen und Meerbarben werden in Papier eingeschlagenen und das nächste Schattenplätzchen ist gerade richtig für die köstliche Mahlzeit. Lesen Sie auf einer Speisekarte a la andaluza, so erwartet Sie ein Gericht in einer aromatischen Sauce aus Paradeisern und pimientos (Pfefferschoten).
Für die Tortilla de patatas werden die rohen Erdäpfelscheiben in einer Pfanne angebrutzelt und mit versprudelten Eiern übergossen. Tortillas werden im gesamten Land geschätzt und auch mit Spargel, Thunfisch und chorizo gefüllt.
Der beste Serranoschinken, ein luftgetrockneter, mild-aromatischer Schinken, stammt aus Jabugo in Huelva. Das Fleisch der hellhäutigen Hausschweine wird für den mageren Schinken verwendet, weshalb er auch als jamón de pata blanca, als „Schinken von der weißen Pfote“ bekannt ist.
Levante: Orangenblüten und Safranfäden
In der südlichen Provinz Murcia strahlen im Herbst die Felder mit den roten Paprikaschoten, die gemeinsam mit Paradeisern und chorizo die Fülle für pastel muricano, eine Blätterteigtorte, ergeben.
An der Küste auf dem Weg ins heiße und trockene Alicante tauchen immer mehr Orangenhaine ins Blickfeld und die rechteckigen Reisfelder erstrecken sich soweit das Auge reicht. Reis bildet die Grundlage vieler Gerichte der Region; auch für das berühmteste: die paella!
Zufrieden blickt der Koch auf seine farbenfrohe Palette: Garnelen, festes weißes Fischfilet, Miesmuscheln, Langusten, Tintenfisch, Schweine- und Hühnerfleisch, chorizo, Paradeiser und verschiedene Gemüse. Schon kurze Zeit später schmeichelt der Duft dieser Zutaten in der Nase, zusammen mit Knoblauch, Zwiebeln, rotem Paprika und einigen Fäden Safran. Erst jetzt kommt der in die Pfanne, der die Geschmäcker aller Zutaten in seinen Körnern sammelt.
Auch in den deftigen Eintöpfen, findet Reis Verwendung, z. B. in der olleta, einem Eintopf aus Reis, Schweinefleisch, verschiedenen Würsten und Gemüse.
Katalonien: Gerichte mit Geschichte
In kaum einer Region Spaniens werden seit so langer Zeit Rezepte schriftlich festgehalten wie hier, das älteste Kochbuch Kataloniens stammt aus dem Mittelalter.
Ein Kunterbunt an Meerestieren befindet sich in der zarzuela de mariscos, dem „Singspiel der Meeresfrüchte“: mejillones (Miesmuscheln), berberechos (Herzmuscheln), llangostas (Langusten), chiprónes (Tintenfisch), cigalas (Hummer), Gewürze und geriebene Mandeln; abgeschmeckt mit ein paar Tropfen Absinth. Gegrilltes wird gern mit kalten Saucen angerichtet, z. B. mit der glänzenden, rot-braunen romescu aus Mandeln, Cayennepfeffer, Öl und Paradeisern. Dazu gibt es pa amb tomàquet, Weißbrotscheiben, die mit Öl beträufelt, gesalzen und mit Tomaten eingerieben werden; unentbehrlich bei einer spanischen Mahlzeit.
Mar i muntanya, „Meer und Gebirge“, überrascht mit außergewöhnlichen Kombinationen: Conill amb cargolls (Kaninchen mit Schnecken), Pollastre amb llangosta (Huhn mit Langusten) und peus de porc amb sìpi (Schweinsfüße mit Tintenfisch) sind Gerichte mit langer Tradition. Da hilft nur: Probieren!
Von Aragonien und Navarra in die baskischen Provinzen: Chilindrónes und gastronomische Gesellschaften
Im Nordosten Spaniens gehören Saucen zum kulinarischen Mittelpunkt, und besonders Aragonien punktet mit seinen chilindrón-Saucen aus jamón serrano, gerösteten pimientos, Paradeisern, Zwiebeln und Knoblauch. Chilindrónes (Paprikaschoten) fehlen in kaum einem Fleischgericht; das pollo a la chilindrón, aber auch Gemüse- und Fischgerichte werden mit der feurigen Sauce angerichtet.
Die glasklaren Bäche in den Gebirgen von Navarra bringen die besten Forellen hervor. Eine der liebsten Zubereitungsarten ist truchas a la Navarra, mariniert in trockenem Rotwein mit frischer Minze, Pfefferkörnern, Thymian, Rosmarin, Lorbeerblättern und Zwiebeln.
So wie sich die baskische Sprache und Kultur von der des restlichen Landes unterscheiden, so trifft das auch auf die Küche zu, und der Zusatz a la vasca, auf baskische Art, lässt immer einen Hochgenuss vermuten. Die Fische aus dem kalten Golf von Biskaya sind von ganz besonderer Qualität und die Einheimischen sind der Überzeugung, dass nur hier das Wasser die perfekte Temperatur für den besten Fisch und die besten Meeresfrüchte hat. Bei den in eigener Tinte gekochten Tintenfischen, chipirones en su tinta, findet das Auge anfänglich vielleicht keine rechte Freude an der dicken schwarzen Sauce, der Geschmack hingegen ist vorzüglich. Eingesalzener, getrockneter Kabeljau, bacalao, gehört zu den Spezialitäten des Baskenlands. Nach dem Einweichen wird er meist sehr einfach zubereitet, z. B. als bacalao a la Vizcaina, mit Paprikasauce.
Die Mitglieder der baskischen Kochgesellschaften, der sociedades gastronomicas, treffen sich regelmäßig zum gemeinsamen Kochen und Essen in Vereinshäusern, die kochtechnisch perfekt ausgestattet sind. Mit Hingabe wird hier experimentiert und gefachsimpelt. Mittlerweile finden auch Frauen Zugang zu den ursprünglich nur Männern vorbehaltenen Gesellschaften.
Asturien und Galicien: Goldgelbe Pasteten und Meereslust
Die Erde im Nordwesten Spaniens ist schwer und satt von den regelmäßigen Regenfällen und das Meeresklima prägt die reichhaltige, einfache Küche der Region.
Queso de Cabrales, der zylindrisch geformte Käse aus Ziegen- Schaf- und Kuhmilch, reift in Kalksteinhöhlen und setzt dort rot-grünen Schimmel an. Die beste Begleitung zu einem Glas Wein ist vermutlich eine empanada; eine Pastete mit goldgelber Kruste. Die Pasteten werden mit Fleisch- oder Fischstückchen gefüllt und sind umhüllt mit einem Teig aus Mais- oder Weizenmehl, versetzt mit einer Prise Safran.
Wenn Sie dem galizischen Regen entfliehen müssen, dann setzen Sie sich am besten in eine Gaststätte und bestellen eine Schüssel caldo gallego. Lacón (geräucherte Schweinsschulter), unto (eingesalzenes Schweinefleisch), grelo (Rübenkraut), Kartoffeln und getrocknete fabas (Bohnen) sind die Zutaten dieser reichhaltigen Suppe. Das leicht bittere grelo wird oft auch als Zuspeise serviert, ebenso wie das tief gelbe Maisbrot. An der Küste, in La Coruña, wird man überwältigt von der Nahrungsvielfalt, die aus dem Wasser kommt. Im „Fischreservoir Spaniens“ werden Hummer, Austern, Langusten, Schwimmkrabben, Polypen, Muscheln, Barsche, winzige Glasaale u. v. m. angeboten. Auch percebes, Entenmuscheln, findet man hier. Diese Krebse (der Name täuscht!) haben die Form einer Kralle, die an einem Arm befestigt ist.
Bunte Tapas
Aus den tapas (Deckeln), den Weißbrotscheiben, die auf Weingläser gelegt wurden um die Fliegen fernzuhalten, sind längst weltweite kulinarische Lieblinge geworden. Tapas-Bars bieten bis zu 50 verschiedene Schüsselchen an und der Gast hat die Qual der Wahl zwischen Weißen Bohnen in Essigsauce, marinierten Garnelen, Oliven, gebratenen chilindrónes, chorizo, Schnecken, Sardinen, jamón serrano, callos (Kutteln) und vielem mehr. Tapas werden meist stehend in einer Bar eingenommen, als „Anheizer“ für das baldige Abendessen oder man wandert von Bar zu Bar und nimmt in jeder einige der kleinen Köstlichkeiten zu sich.